Newsletter Arbeitsrecht 02/23

Verfall von Urlaubsansprüchen,
Hinweisgeberschutzgesetz,
elektronische Arbeitsunfähigkeit

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt wieder einiges zu berichten im Bereich Arbeitsrecht. Zum einen gab eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubsansprüchen, die in der Presse viel Aufmerksamkeit erregt hat. Zum anderen möchten wir Sie über das Ende Dezember 2022 vom Bundestag beschlossene Hinweisgeberschutzgesetz informieren, das voraussichtlich Mitte Mai 2023 in Kraft treten wird und auf die elektronische Arbeitsunfähigkeit.

Viel Spaß bei der Lektüre

Ihre Nora Loof

 

1. Verfall von Urlaub

Wir hatten uns in unserem letzten Newsletter bereits mit dem Verfall von Urlaubsansprüchen befasst. Es gibt eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die Anlass bietet, dieses Thema erneut aufzugreifen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2022 (Az. 9 AZR 266/20) entschieden, dass Urlaub nicht automatisch spätestens nach 3 Jahren verjährt, wenn dieser nicht in Anspruch genommen wird. Grundsätzlich unterliegt der Urlaubsanspruch der dreijährigen gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Arbeitgeber muss also einen Beschäftigten rechtzeitig auffordern, den Urlaub zu nehmen und ihn vor einer drohenden Verjährung warnen. Erfolgt dies nicht, dürfen die Urlaubstage nun nicht mehr einfach verfallen.

Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Entscheidung:

„Nach bisheriger Senatsrechtsprechung gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter („15-Monatsfrist“). Diese Rechtsprechung hat der Senat in Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 – [Fraport]), um die ihn der Senat durch Beschluss vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) ersucht hat, weiterentwickelt.

Danach verfällt weiterhin der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer – wie vorliegend der Kläger – im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. In dieser Fallkonstellation setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.“

Für Ihre Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass Sie Ihre Mitarbeiter rechtzeitig, also am besten am 02.01. eines jeden Jahres auffordern, ihren Urlaub zu nehmen und darauf hinweisen, dass dieser anderenfalls verfällt. Diese Belehrung sollten Sie jedes Jahr aufs Neue wiederholen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Sie den Zugang der Belehrung nachweisen können. Sie sollten sich daher von Ihren Mitarbeitern bestätigen lassen, dass die Belehrung zur Kenntnis genommen wurde.

 

2. Hinweisgeberschutzgesetz

Der Bundestag hat am 21. Dezember 2022 das lang erwartete Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen. Ziel des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden EU-Richtlinie ist ein besserer Schutz von Whistleblowern, also von Personen, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen geben. Das Gesetz wird voraussichtlich Mitte Mai 2023 in Kraft treten.

1. Was beinhaltet das Hinweisgeberschutzgesetz?

Unternehmen und Organisationen ab 50 Beschäftigten müssen sichere interne Hinweisgebersysteme installieren und betreiben. Kleineren Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten wird dafür eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 eingeräumt.

Whistleblower müssen die Möglichkeit erhalten, Hinweise mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abzugeben. Auch anonymen Hinweisen muss nachgegangen werden.

Wird ein Hinweis abgegeben, muss die interne Meldestelle dies dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen bestätigen.

Binnen drei Monaten muss die Meldestelle den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informieren, beispielsweise über die Einleitung interner Compliance-Untersuchungen oder die Weiterleitung einer Meldung an eine zuständige Behörde, etwa eine Strafverfolgungsbehörde.

Als zweite, gleichwertige Möglichkeit zur Abgabe von Hinweisen wird beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle eingerichtet. Die Bundesländer können darüber hinaus eigene Meldestellen einrichten.

Whistleblower können sich frei entscheiden, ob sie eine Meldung an die interne Meldestelle ihres Unternehmens abgeben oder die externe Meldestelle nutzen möchten.

Zum Schutz der Whistleblower vor „Repressalien“ enthält das Gesetz eine weitgehende Beweislastumkehr: Wird ein Whistleblower im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit „benachteiligt“, wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Zudem kommen Schadensersatzansprüche des Whistleblowers aufgrund von Repressalien in Betracht.

2. Was bedeutet das für Sie als Unternehmer?

Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeitende beschäftigen und damit unter das Hinweisgeberschutzgesetz fallen werden, müssen sich mit der neuen Rechtslage auseinandersetzen.

Zwar wird für Unternehmen, die zwischen 50 und 249 Arbeitnehmer beschäftigen, noch ei-ne „Schonfrist“ hinsichtlich der Umsetzung bis zum 17. Dezember 2023 bestehen. Die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes ist aber komplex, so dass entsprechende Vorbereitungen rechtzeitig getroffen werden sollten. Unternehmen mit mindestens 250 Arbeitnehmer müssen dagegen unverzüglich handeln, da für sie das Gesetz mit Inkrafttreten gelten wird.

Wichtig ist, eine interne Meldestelle im Unternehmen einzurichten. In Konzernstrukturen kann überlegt werden, ob eine konzernweite zentrale Meldestelle errichtet wird, da dies vom Hinweisgeberschutzgesetz ermöglicht wird. Ebenfalls müssen klare Vorgaben im Unternehmen erlassen werden, wie man verfahrenstechnisch mit Meldungen von Hinweisgebern umgeht. Falls bereits eine Meldestelle und Vorgaben hinsichtlich des Umgangs mit Meldungen im Unternehmen bestehen, muss geprüft werden, ob diese im Einklang mit den Regelungen des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes stehen.

In Unternehmen mit Betriebsrat ist regelmäßig ein längerer Vorlauf einzuplanen. Dem Betriebsrat stehen bei der Ausgestaltung des Hinweisgebersystems Mitbestimmungsrechte zu, so dass die Betriebsparteien hier eine Betriebsvereinbarung abschließen müssen.

 

3. Urlaubsrecht

Praktisch besonders relevant ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer müssen ab dem 01.01.2023 nach § 5 Abs. 1a EFZG grundsätzlich keinen „gelben Schein“ mehr bei ihrem Arbeitgeber einreichen. Die Arbeitsunfähigkeitsdaten übermittelt vielmehr der Arzt elektronisch an die Krankenkasse.

Aus den Daten wird eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung generiert. Diese kann der Arbeitgeber dann automatisiert bei der zuständigen Krankenkasse abrufen.

Hier gelten aber Ausnahmen!

Die eAU gilt nicht für

  • privat krankenversicherte Arbeitnehmer,
  • geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten,
  • für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Privatärzte,
  • für eine im Ausland festgestellte Arbeitsunfähigkeit (bzw. Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit),
  • für Eltern, die sich – ärztlich bestätigt – um ein krankes Kind kümmern müssen,
  • bei stufenweiser Wiedereingliederung,
  • bei Rehabilitationsleistungen und
  • bei einem Beschäftigungsverbot.

Bestehen bleibt die Pflicht, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen, z.B. telefonisch, sowie die Arbeitsunfähigkeit zu den schon bislang geltenden Zeitpunkten von einem Arzt feststellen zu lassen (d.h. spätestens am vierten Tag, sofern der Arbeitgeber keinen früheren Zeitpunkt festgelegt hat).

 

Ihr Ansprechpartnerin

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

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Nora Loof Rechtsanwältin Arbeitsrecht Bielefeld