Newsletter Arbeitsrecht 12/22

Arbeitszeiterfassung
Home Office
Urlaubsrecht

Liebe Leserinnen und Leser,

Liebe Leserinnen und Leser unseres arbeitsrechtlichen Newsletters,
auch im Monat Dezember haben wir wieder aktuelle und interessante Informationen aus dem Arbeitsrecht für Sie.

 

Viel Spaß bei der Lektüre

 

Ihre Nora Loof

 


1. Arbeitszeiterfassung

Am 03.12.2022 ist der vollständige Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 zu der viel beachteten Frage der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber veröffentlicht worden.

Wie bereits aus der Pressemitteilung ersichtlich war, stützt das BAG die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Schaffung eines Systems der systematischen Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Eine unionrechtskonforme Auslegung dieser Vorschrift, so das BAG, gebiete dieses Normenverständnis. Der Aspekt der Arbeitszeit stelle einen nicht unbedeutenden Bestand-teil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Beschäftigten dar, der im Arbeitsschutzgesetz geregelt ist. Ein wirksames System erfordere es, dass die Arbeitszeiten erfasst, gespeichert und dann ausgewertet werden können. Das Zurverfügungstellen eines Erfassungssystems zur freien Nutzung reicht zur Erfüllung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers nach Auffassung des BAG nicht aus. Die Aufzeichnungspflicht ergebe sich hingegen nicht aus § 16 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG, dies zeige bereits die Gesetzeshistorie sowie die Tatsache, dass das ArbZG für einige Branchen Sondervorschriften zur Aufzeichnung der Arbeitszeit enthält und dass diese Aufzeichnungspflicht auch in weiteren Gesetzen (GSA Fleisch, MiloG, AEntG und AÜG) gesondert geregelt ist.

Die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten betrifft nach Auffassung des BAG diejenigen Arbeitnehmer, für die die Arbeitszeitrichtlinie keine Sonderregelungen vorsieht. Von der Verpflichtung zur Aufzeichnung erfasst sind jedenfalls alle Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG.

Jeder Arbeitgeber, so das BAG, ist verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden der Arbeitnehmer im Betrieb erfasst werden. Es bestehe eine „objektive gesetzliche Handlungspflicht“. Einzuführen sei nach den Vorgaben des EuGH zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 14.03.2019 C- 55/18 (CCOO)). Solange vom Gesetzgeber noch keine konkretisierenden Regelungen getroffen wurden, habe der Arbeitgeber den Spielraum, die Form des Systems festzulegen. Bei der Auswahl sind vor allem die Besonderheiten der betroffenen Tätigkeitsbereiche und die Eigenheiten des Unternehmens zu berücksichtigen, insbesondere die Unternehmensgröße. Die Arbeitszeiterfassung muss nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen. Je nach Tätigkeit und Unternehmen können, so dass BAG, auch Aufzeichnungen in Papierform genügen. Auch ist es nach Einrichtung und Vorhalten des Systems durch den Arbeitgeber nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der Zeiten an die Arbeitnehmer zu delegieren. Allerdings hat der Arbeitgeber zu beachten, dass die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit Zielsetzungen dar-stellen, die keinen reinen wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen (unter Bezugnahme auf EuGH, a.a.O.).

In Betrieben mit Betriebsrat können die Betriebsparteien entsprechende Regelungen treffen, wobei sie einen Gestaltungsspielraum dahingehend haben, ob für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Systeme eingeführt werden sollen.

 

2. Home Office

Mit den Wintermonaten kehrt auch ein Thema in die arbeitsrechtliche Beratungspraxis zurück, das in den Sommermonaten in den Hintergrund getreten war: Die Corona-Pandemie bzw. die gehäuft auftretenden (Atemwegs-)Infekte aufgrund der pandemiebedingten Schwächung des menschlichen Immunsystems. Damit rückt auch die Frage nach der rechtlichen Handhabung von Home Office als Mittel der Kontaktvermeidung wieder vermehrt in den Fokus.

Nach einer Pressemitteilung des Ifo-Instituts vom 16. September 2022 hat sich Home Office inzwischen mit durchschnittlich 1,4 Arbeitstagen pro Woche in der deutschen Arbeitslandschaft etabliert. Damit stehen wir in der Home Office-Nutzung nach der Erhebung des Ifo-Instituts im weltweiten Mittelfeld.

Home Office ist daher auch in der deutschen Arbeitswirklichkeit keine Randerscheinung mehr, sondern eine inzwischen häufig genutzte Flexibilisierung der Arbeitswelt. In Zeiten steigender Energie-kosten gilt dies mehr denn je.

Auch im Zuge der noch immer andauernden Bekämpfung der Corona-Pandemie bleibt die Frage der arbeitsrechtlichen Gestaltung von Home Office durch die seit 01.10.2022 (und – zunächst – bis zum 07.04.2023) geltende, bundesweite SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung relevant. In der zu Beginn des Jahres gültigen Fassung dieser Verordnung war noch eine Home Office-Pflicht enthalten. In der jetzt in Kraft getretenen Neufassung der Verordnung ist diese Pflicht nicht mehr zu finden, sondern vielmehr eine reine Kann-Regelung. Arbeitgeber sind damit nach der neuen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung nicht mehr angehalten, Home Office, wo dies möglich ist, verpflichtend anzubieten, sondern können dies tun, sofern keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen, müssen es aber nicht.

Wenn Sie als Arbeitgeber sich nun dafür entschieden haben, Home Office auch in diesem Winter (oder generell) zu ermöglichen, gibt es einige Gerichtsentscheidungen aus der seit Beginn der Corona-Pandemie florierenden Rechtsprechung zu diesem Thema, die wir Ihnen gerne nachfolgend darstellen möchten. Dabei werden wir den Blick nicht nur auf die rein arbeitsrechtliche Einordnung richten, sondern auch einen Ausblick in das Unfallversicherungsrecht geben.

Im Einzelnen:

 

a. Angeordnete Rückkehr aus dem Home Office

Das Landesarbeitsgericht München hatte am 26.08.2021 (Az. 3 SaGa 13/21) in einem Eilverfahren darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer, in dessen Arbeitsvertrag kein Arbeitsort festgelegt war, aufgrund arbeitgeberseitiger Weisung dauerhaft aus dem Home Office tätig wurde, auf neue Anweisung des Arbeitgebers künftig wieder in Präsenz im Unternehmen seine Tätigkeiten zu er-bringen hat.

Es urteilte – inzwischen rechtskräftig und damit in diesem Eilverfahren letztinstanzlich –, dass die Gestattung einer dauerhaften Tätigkeit aus dem Home Office heraus auf Grundlage einer arbeitgeberseitigen Weisung durch eine ebensolche Weisung zur Rückkehr in die betriebliche Arbeitsumgebung rückgängig gemacht werden kann, sofern zwingende betriebliche Gründe gegen eine weitere Erledigung der Arbeiten aus dem Home Office sprechen. Im vorliegenden Fall war ein solcher zwingender betrieblicher Grund die (bessere) technische Ausstattung des Arbeitsplatzes im Betrieb.

Das LAG stellte im Zuge dieser Entscheidung zudem fest, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch darauf habe, an seinem Wohnsitz seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Vielmehr obliege es bei Arbeitsverhältnissen, bei denen der Arbeitsort nicht vertraglich festgeschrieben wurde, dem Arbeitgeber, den Arbeitsort durch Weisung gem. § 106 Abs. 2 GewO zu konkretisieren. Dies ermöglicht es dem Arbeitgeber, sowohl die Tätigkeit aus dem Home Office als auch vor Ort im Betrieb anzuordnen und eine einmal getroffene Weisung für die Zukunft abzuändern.

 

b. Festlegung des Arbeitsortes im Arbeitsvertrag

Den umgekehrten Fall hatte das Landesarbeitsgericht Köln am 12.01.2022 (Az. 3 Sa 540/21) zu entscheiden und urteilte im Einklang mit der vorgenannten Entscheidung des LAG München. Dort klagte eine Arbeitnehmerin darauf, künftig ausschließlich im Home Office beschäftigt zu werden. Im Arbeitsvertrag der Klägerin fand sich allerdings eine Vereinbarung zum Tätigkeitsort der Arbeitnehmerin, die keinen Raum für eine abweichende arbeitgeberseitige Weisung ließ.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat insoweit festgestellt, dass für den Fall, dass im Arbeitsvertrag eine Regelung zum Arbeitsort enthalten ist, die keine abweichende arbeitgeberseitige Weisung mehr zulässt, der Arbeitnehmer nicht beanspruchen kann, dauerhaft aus dem Home Office heraus tätig zu werden. Durch die vertragliche Fixierung des Arbeitsortes konkretisiert sich die Pflicht zur Arbeitsleistung allein auf den im Arbeitsvertrag genannten Arbeitsort.

Die Revision gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen, sodass auch diese Entscheidung unanfechtbar ist.

 

c. Arbeitsunfall innerhalb der Wohnung auf dem Weg ins Home Office

Einen kurzen Blick in das Unfallversicherungsrecht im Home Office bietet die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 08.12.2021 (Az. B 2 U 4/21 R). Entschieden wurde der Fall, dass ein Arbeitnehmer innerhalb seiner Wohnung auf der Treppe gestürzt war, als er gerade auf dem Weg in sein Home Office war. Das BSG hatte hier insoweit zu entscheiden, ob es sich bei dem Sturz auf der Treppe innerhalb der Wohnung des Klägers um einen versicherten Weg im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelte.

Das BSG entschied – unter Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung – zu Gunsten des Klägers und stellte fest, dass es sich bei einem derartigen Unfall um einen Arbeitsunfall im Sinne des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts handelt, sodass die gesetzliche Unfallversicherung eine Einstandspflicht für diesen Unfall traf. Zwar führte das BSG aus, dass es sich nicht um einen sog. Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII handelte, da der Arbeitsweg in diesem Sinne erst mit dem Durchschreiten der Außentür der Wohnung beginnt und der Unfall im entschiedenen Fall innerhalb der Wohnung stattfand. Gleichwohl gelangte das BSG zur Annahme eines Arbeitsunfalls, da es sich um einen sog. Betriebsweg gehandelt habe. Ein solcher ist anzunehmen, wenn der Weg in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit zurückgelegt wird. Dies kann auch ausnahmsweise der Fall sein, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befinden. Damit ist ein Betriebsweg auch innerhalb der Wohnung denkbar.

Die frühere Rechtsprechung des BSG forderte bei solchen Betriebswegen noch, dass der Ort, an dem sich der Unfall ereignete, überwiegend dienstlich genutzt wurde. Dies wäre bei der Treppe im entschiedenen Fall aber wohl abzulehnen gewesen. Diese Rechtsprechung hat das BSG inzwischen gänzlich aufgegeben. Nunmehr kommt es auf die Handlungstendenz des Arbeitnehmers an, mit der er die Treppe (den Betriebsweg) benutzt. Jedenfalls der erstmalige, tägliche Weg des Klägers aus den Privaträumen in sein häusliches Arbeitszimmer dient allein dem Zweck der Arbeitsaufnahme und zählt deshalb als unfallversicherter Betriebsweg.

 

d. Beendigung alternierender Telearbeit ist mitbestimmungspflichtig

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.10.2021 (Az.: 7 ABR 34/20) entschieden, dass in einem Betrieb, in dem ein Betriebsrat besteht, die Beendigung alternierender Telearbeit, d.h. im entschiedenen Falle eine überwiegende Tätigkeit aus dem Home Office, und die darauf folgende dauerhafte Rückkehr eines Arbeitnehmers an den betrieblichen Arbeitsplatz eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG ist.

Zur Begründung führt das BAG aus, dass bei bislang ganz überwiegender Beschäftigung aus dem Home Office und künftig ausschließlicher Beschäftigung am betrieblichen Arbeitsplatz ein dauer-hafter Wechsel des Arbeitsortes vorliegt, der eine Versetzung darstellt.

Der Betriebsrat hat in derartigen Fällen also ein Mitbestimmungsrecht, bei dessen Nichtbeachtung durch den Arbeitgeber die Versetzung nicht umgesetzt werden kann. Für den Fall der Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat müsste der Arbeitgeber also zunächst ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten, bevor er den Arbeitnehmer dauerhaft aus dem Home Office zurück in den Betrieb beordern darf.

 

e Mitbestimmung des Betriebsrats für Ausgestaltung mobiler Arbeit

Das Landesarbeitsgericht Köln hat am 23.04.2021 (Az.: 9 TaBV 9/21) entschieden, dass dem Betriebsrat zwar kein Initiativrecht für die Einführung von Home Office oder mobiler Arbeit zusteht, wohl aber ein Mitbestimmungsrecht im Sinne des § 87 BetrVG im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung von mobiler Arbeit und Home Office.

Diese Entscheidung ist mittlerweile Gesetz geworden. Mit der Einführung des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG durch das sogenannte Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde ausdrücklich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates im Hinblick auf die Ausgestaltung von mobiler Arbeit in das Gesetz aufgenommen. Mobile Arbeit in diesem Sinne meint zugleich die Erbringung der Arbeitsleistung im Home Office, sodass auch bei der Ausgestaltung von Home Office ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht und zwingend zu beachten ist. Damit obliegt die grundsätzliche Entscheidung, Home Office oder mobile Arbeit anzubieten, weiterhin allein dem Arbeitgeber, die konkrete Ausgestaltung mobiler Arbeit hingegen ist mitbestimmungspflichtig.

 

f. Kein Home Office-Angebot vor Änderungskündigung

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 24.03.2021 (Az.: 4 Sa 1243/20) entschieden, dass ein Arbeitgeber im Rahmen einer betriebsbedingten Änderungskündigung als milderes Mittel gegen-über der Änderungskündigung keinen Home Office-Arbeitsplatz anbieten muss, wenn es Ziel der unternehmerischen Entscheidung ist, bestimmte Arbeitsplätze in dem Betrieb des Arbeitgebers zu bündeln und für diese Arbeitsplätze kein Home Office anzubieten.

Hintergrund der Entscheidung war die Frage, ob vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung als mildere Maßnahme stets eine Tätigkeit aus dem Home Office heraus angeboten werden muss. Beklagte des Verfahrens war eine ursprünglich in Wuppertal ansässige Bank, die auch eine Niederlassung in Berlin unterhielt. Als diese Niederlassung geschlossen werden sollte, wurde der späteren Klägerin gegenüber eine Änderungskündigung ausgesprochen, mit der sie verpflichtet werden sollte, künftig ihre Tätigkeit in Wuppertal zu erbringen. Die Klägerin lehnte die Änderung der Arbeitsbedingungen in örtlicher Hinsicht ab und erhob Klage gegen die Änderungskündigung. Sie begründete dies damit, dass ihr anstelle der Änderungskündigung zur künftigen Erbringung ihrer Tätigkeit in Wuppertal stattdessen eine Änderungskündigung zur Erbringung ihrer Tätigkeiten aus dem Home Office heraus hätte ausgesprochen werden müssen.

Das LAG gab der Arbeitgeberin recht und hielt die Änderungskündigung in der ausgesprochenen Form für wirksam. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die unternehmerische Entscheidung, die Vertriebstätigkeiten in der Filiale in Wuppertal zu bündeln und die Niederlassung in Berlin zu schließen, nicht zu beanstanden sei. Da aufgrund der Tätigkeit der Klägerin für sie auch in Berlin keine Tätigkeit im Home Office angeboten worden wäre, könne ein solches Angebot auch nicht verlangt werden, wenn die angestammte Niederlassung vollständig geschlossen wird.

Die Revision wurde auch in diesem Verfahren nicht zugelassen, sodass auch diese Entscheidung unanfechtbar ist.

 

3. Urlaubsrecht

Da zum Jahresende aber auch das Thema (Rest-)Urlaub und der Umfang der Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers für den Verfall von Urlaub wieder an Relevanz gewinnt und sowohl das BAG als auch der EuGH dazu wichtige Entscheidungen getroffen haben, möchten wir Ihnen diese Entscheidungen nicht vorenthalten.

Zum Jahresende ist für Arbeitgeber bereits seit Längerem die Information der Belegschaft über noch bestehenden Resturlaub und den Verfall desselben, sollte er nicht bis zum Jahresende bzw. dem Ende des Übertragungszeitraums genommen werden, angezeigt.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.09.2021 (Az. 9 AZR 3/21) wiederholt, dass den Arbeitgeber Hinweisobliegenheiten im Hinblick auf den Verfall von Urlaub treffen, damit dieser nicht genommene Urlaub mit Ende des Kalenderjahres oder des jeweiligen Übertragungszeitraums er-satzlos verfällt. Dies ist nicht zuletzt durch die bisherige Rechtsprechung des EuGH und auch des BAG selbst hinreichend bekannt.

Neu an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist, dass diese Obliegenheit ausdrücklich auch bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern Gültigkeit haben soll.

Das bedeutet, dass künftig unterschiedslos alle Arbeitnehmer, auch die, die langzeiterkrankt sind, über die noch bestehenden Resturlaubstage und die Rechtsfolge des Verfalls, wenn der Urlaub nicht innerhalb des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums genommen wird, zu informieren sind. Dies mag in den meisten Fällen praktisch unsinnig erscheinen – ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer kann seinen Urlaub schließlich gerade aufgrund seiner langfristigen Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen, vorausgesetzt, seine Arbeitsunfähigkeit besteht ununterbrochen fort. Gleichwohl wird dies aber nunmehr vom BAG verlangt, was einen Mehraufwand für Arbeitgeber bedeutet.

Der EuGH hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 22.09.2022 (Az. C-518/20) nun noch weiter ausdifferenziert:

Danach ist für die Frage des Verfalls des Urlaubs eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers zusätzlich danach zu unterscheiden, wann der jeweilige Urlaubsanspruch erworben wurde. Handelt es sich um Urlaub, der vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erworben wurde und ist der Arbeitnehmer im Jahr des Beginns der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit nicht ordnungsgemäß über den bevorstehenden Verfall informiert worden, so soll dieser nicht nach Ablauf von 15 Monaten ab dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen können. Nur die Urlaubsansprüche, die der Arbeitnehmer während sei-ner Arbeitsunfähigkeit erworben hat, sollen auch bei fehlender Erfüllung der Hinweisobliegenheit durch den Arbeitgeber noch verfallen können.

Daher ist für Arbeitgeber künftig ein doppelter Mehraufwand gegeben: Es müssen nicht nur auch Langzeiterkrankte über noch bestehende Urlaubsansprüche und deren bevorstehenden Verfall informiert werden, sondern es ist für die Bestimmung des dem Verfall unterliegenden Urlaubs auch zu unterscheiden zwischen solchen Urlaubsansprüchen, die vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden und solchen, die nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden.

Für die Praxis bleibt daher weiterhin der Rat: Unterschiedslos alle Arbeitnehmer sind jährlich über ihre bestehenden Resturlaubsansprüche und die Möglichkeit des Verfalls zu informieren. Nur so kann noch ein Verfall von Urlaubsansprüchen, auch bei Langzeiterkrankten, eintreten.

 

 

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