Verpflichtende Nutzung des „eForms“-Formats bei europaweit ausschreibungspflichtigen Vergabeverfahren ab dem 25.10.2023

Zur weiteren Digitalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens schreibt die Europäische Kommission die zwingende Nutzung der neuen eForms bei europaweiten Vergabeverfahren (sog. Oberschwellenbereich) vor.

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Anordnung mit Wirkung zum 25. Oktober 2023 in den neu geschaffenen § 10a VgV überführt. Damit sind eForms ab sofort im Dienstleistungs- und Lieferbereich, über eine Verweisung in der VOB/A aber auch für den Baubereich, verpflichtend. Nachstehend widmen wir uns den mit der Einführung der eForms verbundenen zentralen Neuerungen.

 

1. Was sind „eForms“?

Mit der Einführung der eForms bewegt sich der europäische Gesetzgeber weg vom vorherigen, noch auf dem Grunddesign eines Papierformulars basierenden, Konzept hin zu einem flexibleren, auf der Nutzung von standardisierten Datenfeldern basierenden, System. Das Ergebnis stellt nicht mehr eine in sich abgeschlossene Formularvorlage, sondern eine individuelle Zusammensetzung der ausgefüllten Datenfelder dar.

Das System sieht insgesamt circa 300 standardisierte Datenfelder vor, welche wiederum in 46 Gruppen unterteilt sind (bspw. „Ausschlussgründe“, „Auftragsbestimmungen“). Um den Bedürfnissen jedes individuellen Verfahrens Rechnung zu tragen, handelt sich teilweise um verpflichtende sowie teilweise um optionale Angaben.

 

2. Was sind durch die Einführung bedingte, relevante Änderungen?

a. Neues Bekanntmachungsverfahren

Die wesentlichste Änderung ist die zwingende Nutzung eines neuen Systems der öffentlichen Auftrags- und Vergabebekanntmachung im Oberschwellenbereich. Eine bisher mögliche Direkteinreichung bei der europäischen Vergabeplattform Tender Electronic Daily (TED) ist ab dem 25.10.2023 nicht mehr zulässig.

Die auf dem Markt etablierten Vergabeplattformen wurden weitestgehend bereits an den neuen Standard angepasst und sind weiterhin nutzbar. Bezüglich der mit der Umstellung verbundenen, strukturellen Änderungen des Antragsverfahrens auf ihrer jeweiligen Vergabeplattform bieten die meisten Anbieter eigene und für ihre Nutzer kostenlose Webinare an.

Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der Neuerungen den sog. „Datenservice öffentlicher Einkauf“ geschaffen. Dieser setzt sich aus drei Komponenten zusammen:

  1. Nationaler Bekanntmachungsservice
  2. Vermittlerdienst und
  3. eSender Hub

Im Einzelnen:

Der Nationale Bekanntmachungsservice (BKMS – abrufbar unter www.oeffentlichevergabe.de) soll eine übergeordnete Sammlung der Informationen aller Bekanntmachungsplattformen darstellen. Dadurch soll die Auffindbarkeit der Vergabeverfahren optimiert und der Wettbewerb gestärkt werden. Bei Vergaben im Oberschwellenbereich werden zukünftig deutschlandweit alle Bekanntmachungen im BKMS veröffentlicht und per Suchfunktion zugänglich gemacht.

Der Vermittlerdienst ermöglicht die weitere Nutzung bereits vorhandener und etablierter Vergabeplattformen, soweit sie an den neuen eForms-DE-Standard angepasst wurden. Er nimmt die dort eingereichten Bekanntmachungen entgegen und leitet sie an den eSender Hub weiter, welcher die Rolle eines digitalen Datenknotens einnimmt.

Der eSender Hub als zentrale Datendrehscheibe ist ab dem 25. Oktober 2023 der technisch einzig zulässige Weg, Bekanntmachungen an das europäische Bekanntmachungssystem TED zu übersenden. Es handelt sich jedoch nicht um ein vom Nutzer zu bedienendes, zusätzliches System, sondern lediglich das im Hintergrund der jeweiligen Vergabeplattform laufende, technische Übermittlungsverfahren.

Für Vergabestellen, welche bisher keine elektronischen Vergabesysteme genutzt haben, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Nutzung eines Redaktionssystems vorgesehen, welches beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat eingerichtet wurde.

b. Ansteigender Bekanntmachungsaufwand

Neben den genannten strukturellen Änderungen dürfte sich durch die Einführung der eForms ein tendenziell erhöhter Aufwand für europaweite Ausschreibungen von Aufträgen ergeben. Denn der nationale Gesetzgeber ist hinsichtlich der bei der Ausschreibung zu tätigenden Pflichtangaben über die Anforderungen der Europäischen Kommission hinausgegangen.

Während die Europäische Kommission beispielsweise Angaben zu sog. strategischen Aspekten der Beschaffung optional vorsieht, sind sie nach nationalem Recht nunmehr verpflichtend. Dies betrifft Angaben zu sozialen und umweltbezogenen Aspekten, wesentlichen Aspekten der Zuschlagskriterien oder die Teilnahmemöglichkeit von KMUs oder Startups.

Hier dürfte es aber Synergieeffekte mit der Meldung nach der Vergabestatistikverordnung geben.

 

3. Zusammenfassung und Ausblick

Die Einführung des eForms-Verfahrens für europaweite Vergabeverfahren stellt vor allem in technischer Hinsicht eine durchaus umfangreiche Maßnahme dar.

Die Auswirkungen auf mit der Benutzung bisheriger Vergabeplattformen bereits vertrauter Vergabestellen dürften sich dagegen (mit Ausnahme einer neuen Benutzeroberfläche und Menüführung) einigermaßen in Grenzen halten: Viele der neuen standardisierten Datenfelder entsprechen bereits bekannten, notwendigen Angaben im bisherigen Verfahren, sodass inhaltlich jedenfalls keine unüberwindbaren Anforderungen gestellt werden.

Der nationale Gesetzgeber plant, das standardisierte eForms-Verfahren perspektivisch auch im Unterschwellenbereich zu nutzen. Ob und wann dies der Fall sein sollte, ist noch offen.

Autor: Dr. Tim Bremke

Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht